Polnische Gegenwartsliteratur

  
Joanna Bator, 1968 geboren, studierte in Wroclaw Kulturwissenschaft und Philosophie. Für ihre Reportagen Japonski wachlarz (Der japanische Fächer) erhielt sie 2005 den Beata-Pawlak-Preis. Joanna Bator ist Hochschuldozentin und lebt in Japan und Polen. Auf Deutsch erschienen "Sandberg","Dunkel, fast Nacht", "Wolkenfern".
Katarzyna Bonda, 1977 in Hajnówka, beim Bialowieza Urwald geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Publizistik an der Universität Warschau mehrere Jahre als Journalistin und Dokumentarfilmerin, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. Bonda beschreibt nicht nur mit chronikartiger Gewissenhaftigkeit die Veränderungen des heutigen Polens, sondern beschäftigt sich auch mit schwierigen gesellschaftlichen Problemen, wie etwa der Gewalt in der Familie oder der Intoleranz gegenüber einem breit verstandenen Fremden. Sie zählt heute zu den meist verkauften Autorinnen Polens. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Warschau. Auf Deutsch: "Das Mädchen aus dem Norden"
Mit ihrem literarischen Debüt hat sich Sylwia Chutnik als brillante Prosaistin und scharfsichtige Gesellschaftskritikerin einen Namen gemacht. In ihrem Roman entwirft sie eine weibliche Gegengeschichte, die es in sich hat. Doch nicht nur klassische Rollenklischees werden von ihr aufs Korn genommen. Auch die Erfahrungen von Alten und Kindern in der rücksichtslosen und konsumgeilen Gegenwartsgesellschaft kommen unüberhörbar zur Sprache. Auf Deutsch erschienen "Weibskram"
Stefan Chwin wurde am 11. April 1949 im polnischen Gdansk, dem einst deutschen Danzig, geboren. Seine Mutter stammte aus Warschau, sein Vater aus der litauischen Stadt Wilna, die er nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen musste. Chwin studierte in Danzig Literaturwissenschaft und lebt bis heute in Danzig als freier Schriftsteller. Stefan Chwin ist, wie auch Pawel Huelle, Chronist der deutsch-polnischen Geschichte in Danzig und wird darum oft mit Günter Grass verglichen. Auf Deutsch erschienen "Ein deutsches Tagebuch", "Tod in Danzig", "Die Gouvernante".
Jacek Dehnel, geboren 1980 in Danzig, hat bereits mehrere Gedicht- und Erzählbände veröffentlicht. Der Lyriker, Prosaiker und Maler ist der erste Dandy der polnischen Literatur. Ein besonderer Stil kennzeichnet nicht nur sein äußeres Erscheinungsbild, sondern sein gesamtes Schaffen. Seine frühen Gedichte pflegte er 100 Jahre zurückzudatieren. Diese Idee griff er später in seinem Band Wiersze (Gedichte) auf. Jedem seiner Werke liegt ein neues Konzept zugrunde; jedes ist eine Rückbesinnung auf Traditionen und offenbart eine besondere Stilisierung. Dehnel lebt als Autor und Übersetzer in Warschau. Auf Deutsch erschienen "Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya", "Lala"
Natasza Goerke gehört zu den Autorinnen der sogenannten “Bruliongeneration”, die nach der 1986 in Krakau gegründeten illegalen Skandal- und Kultzeitschrift “Brulion” benannt wurde. Diese Generation der in den sechziger Jahren Geborenen war die erste in Polen, deren Weltsicht nicht von der national-patriotischen Tradition, sondern von einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Kulturerbe und vom Interesse an internationalen Geistesströmungen der Gegenwart geprägt war. Nataszas Goerkes Texte werden durch ihre groteske und surrealistische Erzählweise oft mit dem magischen Realismus Lateinamerikas und der anglo-amerikanischen postmodernen Literatur verglichen. Ihre Erzählungen überschreiten die Grenzen zwischen Realität und Traumwelt, bedienen sich stilistischer Mittel wie Anspielungen, Verweise, Zitate und Selbstreferenzen und thematisieren so das Problem der Identitätsverlust und Identitätsfindung. In deutscher Übersetzung sind die Erzählungen «Sibirische Palme» und «Abschied vom Plasma» erschienen.
Manuela Gretkowska, geboren 1964, ist Anfang der Neunziger Jahre die umstrittenste Autorin Polens.
Ihre Bücher werden von vielen polnischen Kritikern als „vulgär“ oder „pornographisch“ bezeichnet. Die Leser scheint das nicht zu stören, im Gegenteil: Gretkowskas Romane landen immer wieder auf den Bestsellerlisten und auch als Essayistin und Kolumnistin ist das vermeintliche „enfant terrible“ der neuen polnischen Literatur schwer gefragt. Sie ist die Gründerin der polnischen Frauenpartei. Auf Deutshch erschienen "Polka"
Nach dem Studium der Literaturwissenschaft an der Universität Danzig arbeitete Pawel Huelle zunächst als Journalist. Von 1980 bis zum Verbot der Solidarnosc 1981 war er in deren Pressestelle tätig. Außerdem war er Lehrer für Literatur, Philosophie und Geschichte. Als Schriftsteller machte er sich mit seinem ersten Roman Weiser Dawidek sofort einen Namen. Das Buch wurde von der polnischen Kritik als Meisterwerk und wichtigstes Werk der 80er Jahre gefeiert.Ähnlich wie bei Günter Grass und seinem Danziger Kollegen Stefan Chwin kreisen seine Erzählungen vor allem um die Stadt Danzig, deren Geschichte und deren Einwohner. Es gelingt ihm, eine Kontinuität der deutschen Geschichte zur polnischen Geschichte Danzigs, ganz ohne politische Animositäten, herzustellen. Auf Deutsch erschienen: "Das letzte Abendmahl", "Weiser Dawidek" "Silberregen. Danziger Erzählungen".
Marek Krajewski (1966) ist ein polnischer Altphilologe (Latein), ehemaliger Hochschullehrer und Krimi-Autor. Bekannt wurde Krajewski durch seine Breslau-Krimis. Er entwirft darin verschiedene Kriminalfälle im deutschen Breslau bis 1945, an deren Aufklärung stets „Kriminalrat Eberhard Mock“ beteiligt ist. Bisher erschienen sechs Bücher auf Polnisch (davon bisher fünf auf Deutsch). Krajewski verbindet stilistisch Elemente des Schauerromans mit denen des Krimis. Wichtig ist dabei die genaue topographische und historische Kenntnis Breslaus. 2008 begann er zusammen mit Mariusz Czubaj einen neuen Krimi-Zyklus, dessen Handlung in der Gegenwart in Gdansk (Danzig) spielt und dessen Held Oberkommissar Jaroslaw Pater ist. Auf Deutsch erschienen u.a. "Tod in Breslau", "Festung Breslau", "Gespenster in Breslau".
Wojciech Kuczok, 1972 in Chorzów/Oberschlesien geboren, debütierte 1996 als Lyriker, er arbeitete als Journalist, Filmkritiker und Drehbuchautor. Bekannt wurde er mit seinen Erzählungen und seinem Roman Dreckskerl. Die Verfilmung des Textes nach einem Drehbuch des Autors gewann 2004 auf dem Filmfestival in Gdynia den Hauptpreis. Der Roman Dreckskerl verschaffte Wojciech Kuczok den Ruf, der stilsicherste, musikalischste und leidenschaftlichste Schriftsteller der polnischen Gegenwartsliteratur zu sein. Mit psychologischer Präzision und sprühendem Witz gelingt Kuczok die schonungslose Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen – und nebenbei eine bitterböse Satire der zwischen Popkultur und erzkonservativen Positionen zerrissenen polnischen Gesellschaft. Auf deutsch "Dreckskerl" , "Lethargie"
1984 in einem südpolnischen Beskidendorf geboren, legte Miroslaw Nahacz schon als Abiturient seinen viel beachteten Erstling "Acht vier" vor - das Porträt einer nervösen jungen polnischen Generation, die sich aufmachen muss, ihre eigenen Lebensträume und -ziele zu verfolgen. Die Kritik ist beeindruckt. Wegen seines originellen Stils und seiner subtilen Sprache zählt sie Nahacz zum wichtigen Vertreter einer neuen polnischen Schriftstellergeneration - ohne Pathos, Prüderie und Patriotismus. Ein Jahr später erscheint sein zweiter Roman mit dem Titel "Bombel". 2005 legt er seinen letzten Roman "Lola und der Storch" vor. Erst 23 Jahre alt, begeht Nahacz im Juli 2007 in seiner Warschauer Wohnung Selbstmord. Auf Deutsch erschienen "Bombel"
Piotr Paziński, geboren 1973, lebt und arbeitet in Warschau, Chefredakteur der polnisch-jüdischen Zeitschrift Midrasz. Sein literarisches Debüt wurde in Polen als sensationelle Entdeckung gefeiert. Die Pension erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Preis Paszport Polityki der Zeitschrift Polityka und 2012 den Literaturpreis der Europäischen Union. Auf deutsch erschienen "Die Pension"
Andrzej Stasiuk (1960) ist ein polnischer Autor, Journalist und Literaturkritiker. Nach eigenen Angaben wurde er von der Schule verwiesen und engagierte sich in den frühen Achtzigerjahren in der polnischen pazifistischen Oppositionsbewegung Ruch Wolnosc i Pokoj. Nachdem er während seines Militärdienstes desertiert war, wurde er zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt. Stasiuk lebt heute in Wolowiec in den Niederen Beskiden. Auf Deutsch erschienen u.a. "Der Osten", "Der Stich im Herzen", "Kurzes Buch über das Sterben", "Galizische Geschichten"
Vor ihrer Karriere als Schriftstellerin studierte Olga Tokarczuk (1962) Psychologie an der Universität Warschau. In dieser Zeit arbeitete sie in einem Heim für verhaltensauffällige Jugendliche. Nach dem Abschluss zog sie zunächst nach Breslau und später Walbrzych, wo sie eine Tätigkeit als Therapeutin begann. Tokarczuk sieht sich selbst in der geistigen Tradition von Carl Gustav Jung, dessen Theorien sie auch als eine Inspiration für ihre literarischen Arbeiten anführt. Wislawa Szymborska, Magdalena Tulli, Olga Tokarczuk, so könnte man die polnische Literatur in matriarchalischer Linie buchstabieren. Auf Deutsch erschienen "Unrast", "Der Gesang der Fledermäuse", "Ur und andere Zeiten"
Magdalena Tulli, geboren 1955, lebt als freie Autorin und Übersetzerin aus dem Italienischen in Warschau. Sie gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der polnischen Gegenwartsliteratur.Sie ist eine der wenigen Autoren der Gegenwart, die auf die Magie der Sprache setzen und nicht auf die Geschichten, die zu erzählen sind. Und sie beschreibt den Entstehungsprozess ihrer Geschichten gleich mit, so wie man im Theater die Künstlichkeit herausstellt, indem man die Kulissenschieber auf offener Bühne hantieren lässt. Auf Deutsch erschienen "Getriebe", "In Rot".